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Nach der EM ist vor der WM

Nach meinem bis dahin größten Erfolg, der Teilnahme an der EM letztes Jahr in Spanien, setzte ich für dieses Jahr als Ziel den nächsten Höhepunkt, die Teilnahme an der WM in Katowice.
Aus meinen Erfahrungen der letzten Saison wusste ich, dass das Vorhaben nur gelingen kann, wenn ich mich bei den Süddeutschen Meisterschaften gut platziere, um dann eine gute Ausgangsituation bei der Deutschen Meisterschaft zu haben. Gesagt, getan, der Trainingsplan lief darauf hinaus, im März in „Bestform“ zu sein. Das dies oft schwieriger ist als gedacht, wusste ich aus den letzten Jahren, da durch das vermehrte Training auch das Verletzungsrisiko relativ groß ist. Nach kurzen Rückschlägen am Anfang des Jahres konnte ich endlich ab Mitte Februar ohne Probleme gut trainieren. Der erste wichtige Schritt war getan. Nun ging es darum, am relevanten Tag dies auch auf das Feld zu bekommen.

 

Die Nervosität war definitiv da, als ich in Herrenberg/Stuttgart zur Südostdeutschen Meisterschaft im ersten Spiel auf dem Feld stand. Ich fand glücklicherweise relativ schnell ins Spiel und konnte souverän meine ersten beiden Runden gewinnen. Im Halbfinale musste ich gegen Frank Schlosser (Nürnberg) nahezu alles abrufen, um als Sieger vom Feld zu gehen. Nach einem hart umkämpften ersten Satz, den ich mit meiner besten spielerischen Leistung des Turniers in der Verlängerung gewinnen konnte, gewann ich auch Satz 2 mit 22:20 und 21:15.  Punkt 09:00 Uhr des Folgetags galt der erste Aufruf mir und meinem Finale. Mein Gegner, wie sollte es anders sein, war der gleiche meiner letzten vier Finals, mein guter Freund und Doppelpartner Martin Höppner (Markranstädt). Das letzte Finale hatte ich verloren und mein Ziel war natürlich die Revanche. Da ich mich am Sonntag leider nicht so gut fühlte, gab ich mir die Aufgabe, das Spiel in zwei Sätzen zu gewinnen. Untypisch für meine Spielweise spielte ich für meine Verhältnisse sehr aggressiv und konnte Satz 1 mit hohem Aufwand mit 21:14 gewinnen. Martin nimmt diesen Satzverlust erfahrungsgemäß in Kauf, um mir ein wenig Kraft zu rauben, um dann im 2. und 3. Satz, den Spieß umzudrehen. Den 2. Satz verlor ich knapp und mit etwas Pech und einigen Netzrollern gegen mich mit 21:19. Im Entscheidungssatz spürte ich, dass es eng wird, da die „Luft“  aufgrund der ersten zwei kräftezehrenden Sätze knapp wurde. Nach 5:0 Führung ging ich mit 5:11 zum Seitenwechsel. Mit dem Gefühl, das Spiel mit vielen unnötigen Fehlern aus der Hand gegeben zu haben, versuchte ich doch noch einmal alles, um mich wieder heranzukämpfen. Aber nach einem 12:18 und 15:20 Rückstand schien der Versuch gescheitert. Mit dieser Erkenntnis spielte es sich aus irgendeinem Grund befreiter. Ich blendete den Spielstand komplett aus und spätestens bei 18:20 beschlich mich der Gedanke, dass noch eine Chance besteht. Ich kann mich nicht erinnern, einen solchen Rückstand schon einmal ausgleichen zu haben, doch an jenen Tag hatte dies für mich Premiere. Nach solch einem kuriosen Spielverlauf war ich mental im Vorteil und konnte am Ende für mich doch noch sensationell mit 23:21 gewinnen und war damit Südostdeutscher Einzelmeister.

 

Nach dem Turnier war ich bestrebt, die Form zu halten, um im Juni bei der deutschen Meisterschaft um die Qualifikation für die WM zu spielen. Ich war noch etwas aufgeregter als noch bei der Süddeutschen Meisterschaften. Nach holprigem Start gewann ich mein Zweitrundenspiel gegen Johannes Bilo (Langenfeld) und stand im Viertelfinale. Mein Gegner Philipp Droste aus Hamburg hatte sich in seinen Vorspielen mit seiner Spielweise meinen Respekt verdient. Wahrscheinlich war er zu groß geworden, da ich ungewollt meine Spielweise veränderte und sein Spiel mitspielen wollte, aus dem Grund zu risikoreich spielte, um schnelle Punkte zu machen. Dadurch machte ich aber zu viele eigene Fehler und ich verlor leider gefühlt knapper als auf dem Papier mit 21:16 und 21:11. In diesem Moment schien das Saisonziel WM gescheitert.

 

 

Eines anderen Pech sollte mein Glück werden. Mein Serienfinalgegner und Freund Martin Höppner verletzte sich leider in seinem ersten Einzel und konnte zu seinem späteren Mixeddoppel nicht antreten. „Kumpel“ wie er ist, gab er mir seinen Mixedplatz, damit eine weitere Chance die Qualifikation zur WM doch noch zu erreichen und ich bin ihm demzufolge auch sehr dankbar. Da ich lange Zeit kein Mixed gespielt und auch noch nicht mit meiner jetzt neuen Partnerin Gesa Weise aus Leipzig trainiert hatte, waren unsere eigenen Erwartungen begrenzt. Wir hatten nichts zu verlieren und konnten frei aufspielen. Wir dachten von Spiel zu Spiel und funktionierten nach kurzer Eingewöhnung richtig gut. Im Viertelfinale hatten wir unsere erste große Bewährungsprobe. Mit Schlosser/Vogt (Hövelhof/Nürnberg) stand uns ein Mixed gegenüber, das sich letztes Jahr noch für die Europameisterschaft qualifiziert hatte. Zusammen erstellten wir vor dem Spiel einen Matchplan, der am Ende eins zu eins aufgehen sollte. Alles das, was wir uns vorgenommen hatten, funktionierte und wir erwischten ein fast perfektes Spiel. Jeder Ball flog dahin, wo er hinfliegen sollte und wir gewannen überraschend klar mit 21:5 und 21:15. Der Einzug ins Halbfinale war geschafft und damit auch die erträumte Qualifikation für die WM. Wir waren überglücklich und konnten die Euphorie ins Halbfinale mitnehmen. Wir spielten in fast gleicher Manier gegen Pinzer/Exl (Marktredwitz/Obernzell) und hatten nach sehr langen, knappen und guten Ballwechseln mit 24:22 und 21:15 knapp die Nase vorn. Platz 2 war somit gesichert und somit für mich das „Beste Ergebnis“ einer deutschen Meisterschaft. Im Finale spielten wir dann mit Ehlert/Ehlert (Neukölln) gegen ein Bundesligamixed. Sie waren in fast allen Belangen ein Stück besser und gewannen relativ deutlich, aber auch verdient mit 21:8 und 21:13. Das Ergebnis konnten wir relativ schnell abhaken und die Freude über Platz 2. überwiegte. Die Qualifikation war geschafft, aber wir konnten nur zusammen bei der WM antreten.

 

Nun galt es zu klären, ob wir den Aufwand in Kauf nahmen, wegen nur einer Disziplin nach Katowice zu fahren. Für mich war es von Anfang an klar und glücklicherweise sah dies meine Mixedpartnerin genauso. Saisonziel erreicht, auf nach Katowice!!! Mit meinem Einzelplatz 5 bei der Deutschen Meisterschaft bestand noch eine kleine Chance für Einzelteilnahme für die WM nachnominiert zu werden. Das Glück war auf meiner Seite, die Mail vom DBV erreichte mich vier Wochen später. Somit durfte ich glücklicherweise also Mixed und Einzel spielen. Einen klitzekleinen Nachteil hatte die WM-Teilnahme: in der eigentlichen Saisonpause/Hochsommer musste ich die Form halten. Dies war beschwert, da in ganz Freiberg alle Hallen geschlossen waren. Jedes Training war somit ein Auswärtstraining und ich verbrachte viele Stunden im Auto. Aber da die Motivation kaum größer sein konnte, fuhr ich am 03.08. mit gutem Gewissen „fit zu sein“ nach Katowice.

Froh überhaupt fahren zu dürfen, gingen meine Erwartungen eher in Richtung der olympischen Gedanken: "Dabei sein ist alles".
Am ersten Tag meldete ich mich an und holte meine Akkreditierung und ließ mich von den äußeren Gegebenheiten, wie unter anderem der Halle und der Organisation, beeindrucken. Am Montag, den 05.08., griff ich dann das erste Mal aktiv ins Turnier ein. Mein Einzelgegner Yogesh Chauhan war die Nr. 1 aus Indien. Ich hatte leider arg damit zu tun, Gefühl für das Feld zu bekommen. Die Höhe der Halle, die Scheinwerfer, die schnellen Bälle und die Ventilatoren der Klimaanlagen machten es mir nicht einfach. Dies erschwerte mir, die Konzentration auf das Spiel zu fokussieren. Ich machte pro Satz zwei bis drei kleine Fehler mehr als mein Gegner und verlor unter dem Strich gefühlt knapper mit 21:18 und 21:16. Mit ein wenig mehr Glück an der Netzkante und drei strittigen Schiedsrichterentscheidungen, wäre mindestens ein 3. Satz machbar gewesen. Und wer weiß, vielleicht wäre da noch mehr möglich gewesen.


Das Mixed mit Gesa verlief dagegen weitaus erfolgreicher. In Runde 2 stand uns mit Joachim Bjorka/Wendy Fredriksson eine Mixedpaarung aus Schweden gegenüber. Es war ein ausgeglichenes Spiel mit vielen Führungswechseln, in dem wir nach 16:19 Rückstand im 3. Satz in einem reinen Nervenkrimi am Ende mit 27:25 gewinnen konnten. Ziel erreicht, ein gewonnenes Spiel bei einer WM. Mit dieser Erfahrung ließ die Nervosität etwas nach und im Achtelfinale stand uns ein Mixed aus Frankreich (Quentin Gallet/Aurelie Peregrina) gegenüber. Nach klarem 1. Satzverlust konnten wir unser Spiel umstellen und gewannen Satz 2 knapp mit 21:18. Im 3. Satz war es ein Spiel auf Augenhöhe. Wir liefen leider einem permanenten 2-3 Punkterückstand hinterher, konnten diesen erstmalig bei 19:19 ausgleichen und gewannen auch hier hauchdünn nach einem packenden und starken Finish am Ende mit zwei oder drei kleinen spieltaktischen Überraschungen, knapp mit 23:21. Im Viertelfinale spielten wir dann gegen die an 2 gesetzten und ehemaligen Weltmeister von 2015 Tommy Sørensen und Lisbeth T. Haagensen. Mit 21:12 und 21:10 bestätigten sie ihren Setzplatz und wurden am Ende des Turniers auch 2019 Weltmeister.


Für uns steht am Ende ein 5. Platz im Mixed zu Buche, den wir uns vorher niemals erträumt hatten. Ich bin vollends zufrieden, habe viele tolle neue Erfahrungen gesammelt und viele sehr nette Leute kennen gelernt. Ich danke allen, die mich in jeglicher Form unterstützt und mir die Daumen gedrückt haben. Ein sehr großes Dankeschön geht auch an meine Sponsoren der Jähnig GmbH und meinen Verein, den TSV Dresden, die mir diese Erfahrung, die Reise und den Weg zur WM erleichtert haben und mich finanziell und mental unterstützt haben.

 

Dies war nun mein wohl größtes und schönstes Badmintonerlebnis und ich glaube kaum, dass ich das noch einmal toppen kann. Jeder hat seine eigenen Highlights, also trainiert und kämpft dafür, diese zu erreichen.

 

Mit sportlichen Grüßen

Micha